Ein Bote Gottes

Die erste Begegnung war nicht geplant, sondern völlig unfreiwillig. Und Merle Vokkert war durchaus „etwas ratlos.“ Bei den Kinderferienspielen der evangelischen Gemeinde befassten sich die Kinder vor einigen Jahren mit dem Thema Engel – Boten Gottes.

Gemeinsam mit ihrem Ehemann, Pfarrer Dr. Dietmar Kehlbreier, sollten die Ferienkinder auf dem Friedhof im Mühlendorf einen Film zum Thema Engel drehen. „Da hat uns der damalige Friedhofsgärtner Axel Ossenberg gesagt: ,Ich habe da etwas für Sie. Einen vollkommen intakten Engel, den jemand achtlos im Müll entsorgt hat.“

„Wir haben spontan entschieden, der kommt mit zu uns nach Hause“, sagt die Pfarrerin und die Ferienaktion habe ihren eigenen Symbol-Engel gehabt, mit dem sie über die ganzen Tage mit den Mädchen und Jungen gearbeitet habe.

Später wurde der Engel „Familienmitglied“ und die Pastorin nahm den „Boten Gottes“, wie sie sagt, auch zu weiteren Terminen mit. Dabei passierte irgendwann ein Missgeschick. Der vollkommen intakte Engel brach, „er hatte plötzlich einen appen Flügel.“ Tage später fiel er ihr beim Besuch einer Frauenhilfe-Veranstaltung noch einmal zu Boden, dieses Mal brach ein weiteres Stück ab. „Kleben, reparieren, instand setzen schien kaum möglich. Wir waren etwas ratlos“, sagt Merle Vokkert.

Als der „Engel mit dem appen Flügel“ dann auf dem Küchentisch lag und weder Kopf, Flügel noch ein weiteres Teil ihn wieder mit Klebstoff so richtig instand setzen konnten, fiel ihr Blick auf den jetzt offenen Innenraum der Skulptur. „Da ist es mir den Rücken heruntergelaufen, ich bekam Gänsehaut“, sagt die Theologin. „Innen liegt nämlich die Figur eines Babys. Wegwerfen, entsorgen, uns von diesem Engel trennen, kam ab diesem Zeitpunkt überhaupt nicht mehr infrage.“

Für sie seien beide Beschädigungen und letzten Endes auch die Reparaturversuche irgendwie „Fingerzeige“ gewesen. „Auch Engel sind nicht perfekt, müssen es nicht sein, so wie wir Menschen. Alles liegt in Gottes Hand und viele Eltern wählen heute den Psalm 91, Vers 11, wenn sie ihre Kinder taufen lassen.“ Dort heißt es: „Denn er hat seinen Engeln befohlen, dass sie dich behüten auf allen deinen Wegen“.

Selbst umfangreiche Recherchen, ob die Skulptur einmal ein Baby-Grab im Mühlendorf geschmückt hat, verliefen im Sande. Doch das ist nach Meinung von Vokkert vorstellbar. Sie sagt: „Wir trennen uns jetzt jedenfalls nie mehr von diesem Engel mit den appen Flügeln.“

 

Altenaer Kreisblatt, 25.12.17